Eine Immobilie zum halben Preis ersteigern und zügig einziehen: das ist die Wunschvorstellung eines jeden Bieters. Vor den Erfolg haben die „juristischen“ Götter den Schweiß gesetzt. Und der bedeutet bei diesem Vorhaben a) korrekte Analyse der strategischen Situation im Versteigerungsverfahren, b) die richtige Finanzierung mit einer großen Portion Mut und c) Geduld bis zu dem Tag an dem die Immobilie letztendlich bezogen werden kann.
Das sind Dinge, die man weder auf den Internetseiten der Amtsgerichte, oder in den Zwangsversteigerungskalendern, noch in den deutschen Medien in aller Ausführlichkeit lesen kann. Das hat weniger mit Verschweigen zu tun als mit der Tatsache, dass es nicht die Aufgabe der Vorgenannten ist, Sie als Bieter über alle Eventualitäten im Detail aufzuklären.
Da bei der Erstellung dieses Artikels recht schnell klar wurde, dass das doch eine Menge (Lese)Stoff wird, habe ich beschlossen den Artikel als Zwei/Dreiteiler zu veröffentlichen. Sie lesen hiermit Teil 1.
Vorwort
Jeder „Mitspieler“ verfolgt seine eigenen Interessen.
Die Gerichte wollen bzw. müssen versteigern. Dabei ist es für ein Gericht insofern leicht als das man die Immobilien ohne Haftung bzw. Gewähr versteigert. (wenige Ausnahmen bestätigen dabei die Regel)
Die Versteigerungskalender verfolgen das Ziel Bietwillige in die Gerichtssäle zu befördern.
Die Medien brauchen eher Skandale als Erfolgsgeschichten, um Klicks zu generieren.
Für Sie als Bieter finden sich recht wenige Informationen darüber, was im Termin tatsächlich so vor sich geht. Natürlich können Sie an einigen Terminen teilnehmen, um ein Gefühl zu bekommen – aber lassen Sie es sich gesagt sein, dass in den 15 Jahren meiner Praxis kein Termin wie der Andere war. Auch hier steckt der Teufel im Detail und die Fallstricke, die Sie als Bieter erwarten, treten nur zum Teil im eigentlichen Versteigerungstermin auf, sondern vor und nach einem Termin.
Das Mitbieten in der Zwangsversteigerung ist also nur der Beginn einer Reise, die gut oder extrem schlecht für Sie als Bieter ausgehen kann.
Die drei häufigsten Risiken, wenn Sie eine Immobilie selbst ersteigern – als Kaufinteressent ohne Bezug zu dem Versteigerungsverfahren
#1 Bestehen bleibende Rechte (§§ 52,53 ZVG)
Der Klassiker ist das sogenannte bestehen bleibende Recht. Sie kaufen eine Immobilie mit einer Grundschuld, die Sie zusätzlich zu Ihrem Gebot bezahlen müssen. Es ist also mitnichten immer so, dass Sie eine komplett lastenfreie Immobilie kaufen. Das kann sich insbesondere auch noch während(!) eines Versteigerungstermines ändern.
Während dieses Risiko für frühere Eigentümer im Rahmen einer Scheidung oder einer Erbengemeinschaft eine völlig andere (nämlich risikoreichere) Bedeutung hat, bedeutet das für Sie nur das Eine: aufmerksam aufpassen.
Zu etwa 80% der Fälle lässt sich das Risiko im Vorfeld ausschließen indem man das Grundbuch analysiert. Die anderen 20% hören Sie wortwörtlich im Gerichtssaal. Denn dort lässt sich durch geschickte Taktik eines Schuldners, oder eines Gläubigers erreichen, dass Sie plötzlich eine Grundschuld mitkaufen, die Sie so in Ihren Kalkulationen nicht mit vorgesehen haben. (Da wären wir bei einem Beispiel, welches Sie weder in der Presse, noch auf den diversen ZV-Angeboten auf ImmoScout24 lesen)
Nun muss nicht direkt der Puls steigen – bei der Analyse des Grundbuches lässt sich der Umfang einer solchen Überraschung für den eigentlichen Versteigerungstermin ermitteln. Entweder es tangiert Sie gar nicht, also betraglich gesehen, oder dieser juristische Kniff wirkt sich so gravierend aus, dass Sie plötzlich mehr bieten als die Immobilie wert ist. Auch hier kann ich Sie beruhigen. Die Rechtspfleger, sind in aller Regel mit unermüdlich dabei jedem im Saal Anwesenden zu erklären, was es für ihn bedeutet, sobald er in solch eine Konstellation hinein ein Gebot abgeben würde.
Die Quintessenz ist also, dass Sie durch eine gute Vorarbeit vermeiden können an einem Zwangsversteigerungstermin teilzunehmen, in dem Ihnen dieses Szenario drohen kann. Denn eines muss Ihnen unmissverständlich bewusst sein: bieten Sie auf solch ein Grundstück können Sie a) das Gebot nicht rückgängig machen und b) haften Sie ab sofort für die alte Grundschuld aus diesem Grundbuch. Und zwar für jeden einzelnen Euro des Nennbetrages.
Wie analysieren Sie nun das Grundbuch?
Das ist durchaus kompliziert, denn obwohl die Zwangsversteigerung ein öffentliches Verfahren ist – gilt das nicht für das Grundbuch.
Allerdings lassen sich nahezu alle wichtigen Informationen direkt bei Gericht anfragen, indem man den richtigen Antrag stellt. Laden Sie sich hierfür meinen Schriftsatzentwurf herunter. Sie müssen diesen nur in Bezug auf Amtsgericht, Adresse, sowie Aktenzeichen anpassen und dann können Sie den Schriftsatz bei Gericht abgeben, dorthin faxen oder persönlich abgeben.
Das nachfolgende, kurze Formular, verlangt nicht mehr als Ihren Namen, Anrede und Emailadresse. Nachdem Sie die Emailadresse bestätigt haben, sende ich Ihnen sofort die Mustervorlage auf Ihre Mailadresse.
——-FORMULAR——
#2 Mietkautionen
Ersteigern Sie eine Immobilie mit laufendem Mietvertrag, so haften Sie dafür, dass der Voreigentümer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Mietkaution seiner Mieter nicht mehr auffindet.
Sie treten – übrigens wie bei einem klassischen Immobilienkauf auch – in laufende Mietverhältnisse ein. Während beim klassischen Immobilienkauf vor dem Notar dieser Punkt geregelt wird, entfällt das naturgemäß bei Gericht. Richten Sie sich also fest darauf ein, dass Sie die Mietkaution der Mieter auszahlen müssen, obwohl Sie den Mietvertrag nicht abgeschlossen haben. Natürlich ist es in vielerlei Hinsicht denkbar, dass Sie die Miete vom Voreigentümer fordern könnten. Da findet sich immer ein Argument. Aber es ist günstiger, wenn Sie das bei Ihrem Gebot einpreisen und abhaken. Glauben Sie mir.
Bei vermieteten Immobilien haben Sie also nicht allein das Problem mit dem Thema Eigenbedarfskündigung – sondern eben auch das mit der Kaution, welches nur den wenigsten geläufig ist, die erstmals in ihrem Leben eine Immobilie selbst ersteigern.
#3 Nichtzahlung des Meistgebots beim Mitbieten in der Zwangsversteigerung
Dieses Risiko ist real – ohne Ihnen eine Absicht unterstellen zu wollen. Das liegt letztendlich darin begründet, dass gut 80% meiner Leser eine Immobilie bei der Bank finanzieren.
Und da Sie nicht klassisch per Notar und Kaufvertrag kaufen, bedingt das selbst ersteigern der Immobilie Risiken bei der Finanzierung über eine Bank. Sie werden es vielleicht schon selbst erlebt haben: Ihre jetzige Hausbank will nicht so wirklich mit der Sprache rausrücken, ob eine Finanzierung gelingen wird. Das liegt daran, dass es (Stand Dezember 2023) nur etwa 12 Banken im Land gibt, die das Ersteigern finanziell unterstützen. Nur 3 davon arbeiten überregional und der Rest macht nur mit, wenn die Immobilie im Geschäftsgebiet liegt.
Doch selbst wenn Sie nun eine der 12 Banken als Partner haben, bekommen Sie nur eine vage Aussage. Häufig lautet diese: „kommen Sie wieder, wenn Sie den Zuschlag und somit die Immobilie erhalten haben“.
Richtig gelesen: Sie sollen also erst verbindlich die Versteigerung „gewinnen“ und dann spricht die Bank mit Ihnen über das Geld. Das Problem hierbei ist: Sie haften ab sofort für Ihr Meistgebot. Der Zuschlagsbeschluss, der Sie zum neuen Eigentümer macht, ist im ein vollstreckbarer Titel gegen Sie. Und zwar auf Zahlung des Meistgebotes. Es können sofort (!) Kontopfändungen, Gehaltspfändungen und die Vermögensauskunft die Folge sein.
Ich unterstelle nun, dass Sie als Leser zu den gut 90% derjenigen gehören, die noch nie eine Immobilie aus der ZV heraus ersteigert haben. Damit ist das eben Geschriebene ein echtes Problem für Ihren Schlaf.
Es ist also nicht „einfach“ so, dass Sie eine Immobilie zum halben Preis bekommen können. Wie eingangs dieses Artikels geschrieben, gehören Mut, viel Erfahrung Ihrer Berater und eine zuverlässige Bank dazu. Erst dann können Sie sich über die extrem günstigen Einkaufspreise freuen, die ich seit Anfang 2022 in den Terminen nach über 10 Jahren Boomphase wieder beobachte.
Insofern können Sie nun nachvollziehen, weshalb es ein greifbares Risiko ist keine Finanzierung im Nachgang zu erhalten. sobald Sie eine Immobilie selbst ersteigern.
Das Problem liegt einerseits bei den Vorschriften der Banken, andererseits bei unerfahrenen Kreditvermittlern, die einige wenige Versteigerungen begleitet haben. (Sofern ein Kreditvermittler hier mitliest: das soll kein Vorwurf sein, sondern ein Appell sich Unterstützung zu suchen.)
Lassen Sie mich nun einmal ein Beispiel schildern, dass ich in den 15 Jahren meiner Tätigkeit hundertfach (!) erlebt habe:
Sie ersteigern eine Immobilie und der frühere Eigentümer legt Rechtsmittel ein. Und zwar so geschickt, dass ab dem Tag der Versteigerung 12 Monate vergehen bis endgültig klar ist, dass Ihnen die Immobilie gehört.
Keine Bank der Welt wird Ihnen solange die selben Konditionen aufrecht erhalten können. Das ist also einer der Gründe dafür, dass Sie keine Kreditzusage, also verbindlich, erhalten werden.
Das Problem geht aber noch tiefer. Stellen Sie sich vor was in den 12 Monaten in Ihrem Leben alles geschehen kann. Arbeitslosigkeit, Schwangerschaft oder ein neuer, besser bezahlter Job (oder schlimmer, Selbständigkeit) sind da die Spitzenreiter.
Das sind alles „Vorfälle“, die dazu führen können, dass Sie keinen Kredit mehr erhalten. Sah es vor diesen 12 Monaten noch gut aus in Sachen mögliche Kreditzusage, so können diese 3 Geschehnisse, je nachdem wann sie in den 12 Monaten auftreten, zur Absage der Bank führen.
Was muss also ein Kreditvermittler mitbringen, wenn Sie eine Immobilie ersteigern?
Viel mehr als einfach nur den günstigsten Zins. Er braucht Erfahrung. Nicht nur mit den Banken, sondern auch mit dem Procedere bei Gericht. Ein Netzwerk an Anwälten, Zwischenkapitalgebern und fähigen Gutachtern ist nicht nur wünschenswert – es ist absolut notwendig.
Bei all den oben geschilderten Problemen ist der Zinssatz eigentlich Nebensache. Wichtig ist, dass es funktioniert. Denn Sie sparen schon eine Menge Geld im Einkauf der Immobilie. Wollen Sie wirklich wegen wenigen Prozent riskieren – wirklich alles zu verlieren weil Sie am Ende ohne Kredit dastehen?
Sie ahnen es bereits: gerne biete ich Ihnen meine Unterstützung an. Schreiben Sie mich an. Meine Mailadresse wird 24/7 gesichtet und bearbeitet. Eine kurze Nachricht genügt.
Wie geht es weiter in der Artikelserie: Immobilie selbst ersteigern?
Es folgen für diesen Artikel hier noch einige Teile, sowie Artikel für andere Beteiligte des Versteigerungsverfahrens. Hier findet sich der „Hauptartikel“ mit der Einführung und den jeweiligen Teilsegmenten.