ZVR-Bericht: 4. Quartal 2022 im Zwangsversteigerungsmarkt

Ein intensives Jahr 2022 ist zu Ende gegangen. Der Trend, dass die Immobilien in den Versteigerungsterminen unterhalb des Verkehrswertes den Eigentümer wechseln, hat sich massiv verstärkt.

Das wird sich natürlich auch auf den klassischen Immobilienmarkt auswirken. Wenn Immobilien im Zwang also durchschnittlich für 80% erworben werden können, müssen sich Makler und Eigentümer ebenso in diese preisliche Richtung bewegen. Die Gutachten der Gerichte sind detailliert genug, damit man sich als Kaufinteressent ein Bild der Immobilie machen kann – natürlich ist eine Besichtigung durch nichts zu ersetzen, allerdings kann man schon kreativ werden, wenn man im Gegenzug einen 6-stelligen Betrag beim Einkauf einsparen kann. Zudem scheinen immer mehr Eigentümer die Ratgeber auf unserer Seite zu lesen: es werden deutlich mehr Innenbesichtigungen ermöglicht, sodass ein Kaufinteressent schon lange nicht mehr die Katze im Sack kauft.

Die Teilnehmerzahl am Tag der Versteigerungen hat sich merklich verringert. War es z.B. in Berlin so, dass zum Teil die Bietinteressenten noch bis in die Zuwegungsgänge zu den Säälen standen und mitbieten mussten, findet nun jeder wieder einen festen Platz innerhalb des Orts des Geschehens.

Wie in jeder beginnenden Krise gilt: Cash ist King. Wer aktuell nicht zwingend auf eine Finanzierung angewiesen ist, kann gut und günstig einkaufen. Da mittlerweile die sog. Stressannuitäten bei den Banken mit 9% p.a. kalkuliert werden, müssen interessierte Kapitalanleger eine Menge an Bonität und monatlichem Einkommen mitbringen, um überhaupt finanziert zu werden.

Es war bereits vor den enormen Zinsanstiegen schwierig Banken zu finden, die einen Einkauf aus der ZV heraus finanzieren. Die Anzahl dieser Banken hat sich nun fast halbiert und so muss schon Vieles passen, damit es zur Finanzierung kommt. Darin sehe ich persönlich den Grund für die sinkenden Kaufpreise in den ZV-Verfahren.

Die gesunkenen Preise bedingen auch eine Änderung der Taktik auf Seiten der Eigentümer und der Gläubiger. Die Banken werden nun häufiger auf zusätzliche Ertragsmöglichkeiten durch eine schlaue Gestaltung des §30a ZVG setzen, da im Termin nun nicht mehr zwingend feststeht, dass man die Forderung durch den Kaufpreis vollständig getilgt bekommt. Die Eigentümer wiederum haben erstmals seit 2008 wieder die Chance, dass eine Immobilie, die weit über den Verkehrswert verschuldet ist, noch vor dem eigentlichen ZV-Termin freikaufen zu können. Es wird spannend im Jahr 2023.