ZVR-Bericht: 2. Quartal im Zwangsversteigerungsmarkt

Bericht zum Versteigerungsmarkt 2. Quartal 2022

Inhaltsübersicht:

  1. Vorwort
  2. Meistgebote sinken häufiger unter die Marke des Verkehrswertes
  3. Kompliziertere Refinanzierungsbedingungen im Segment der Teilungsversteigerungen
  4. Handlungsempfehlungen für Betroffene einer Zwangsversteigerung
  5. Handlungsempfehlungen für Bieter einer Zwangsversteigerung

.1 Vorwort

Die Publikation Zwangsversteigerungs-Ratgeber (abgekürzt ZVR) veröffentlicht quartalsweise Eindrücke aus den Gerichtssälen, kommentiert Geschehnisse auf den Immobilienmärkten und leitet daraus Handlungsempfehlungen für Immobilieneigentümer und Immobilienkäufer ab.

Die Zeitenwende auf dem Zinsmarkt, beginnend mit dem zweiten Quartal 2022, ist ein gegebener Anlass diese Berichte zu erstellen & zu veröffentlichen.

.2 Meistgebote sinken häufiger unter die Marke des Verkehrswertes

Durch das umfangreiche Netzwerk von ZVR können Rückschlüsse aus mehreren hundert Zwangsversteigerungsterminen je Quartal erfolgen. Bereits beginnend mit dem 1. Quartal 2022 war eine Rückgang der Höhe der Meistgebote festzustellen. Vereinzelnd wurden die gerichtlich festgestellten Verkehrswerte nicht mehr erreicht, was ein deutliches Signal für die Zeitenwende im Markt war. Die letzten 5 Jahre wurden in de Regel die Verkehrswerte weit übertroffen und so fielen die vereinzelten Fälle direkt in der Statistik auf.

Dieser Trend hat sich im zweiten Quartal verstärkt. Dabei beziehen sich diese Feststellungen auf die Immobilientypen Ein- und Zweifamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser bis 4 Einheiten, sowie einzelne Eigentumswohnungen. Renditeimmobilien mit mehr als 4 Wohnungen werden – stand jetzt – weiterhin zum Verkehrswert und darüber hinaus versteigert. In diesem Segment ist weiterhin die Notlage der Unmengen an im Umlauf befindlichen Kapital zu erkennen. Die Investoren nehmen auch weiterhin niedrige Renditen in Kauf.

.3 Komplizierte Refinanzierungsbedingungen im Segment der Teilungsversteigerungen

Es war bislang noch nie sonderlich leicht für eine der betroffenen Parteien ein Objekt aus der ZV heraus zu ersteigern und zu finanzieren. Doch im Niedrigzinsumfeld konnten deutlich mehr Finanzierungen vermittelt werden als es nun seit etwa Mitte März möglich war. Der gravierende Zinsanstieg macht nun viele Haushaltsrechnungen der Miteigentümer zunichte. Während vor gut einem halben Jahr eine 400.000€-Immobilie noch zu 1% Zins und 2% Tilgung zu umgerechnet 1.000€ monatlicher Rate recht gut für eine Bank dargestellt werden konnte, schaut die Rechnung nun anders aus:

Die Banken verlangen mittlerweile 4% (!) für diese Vollfinanzierung, sowie 1% Tilgung. Und das führt zu einer monatlichen Rate i.H.v. 1.666,67€. Das ist im Rahmen von Scheidungen und Erbstreitigkeiten ein Anstieg von +66% und führt reihenweise zur Ablehnung von Finanzierungsanfragen.

Die Problematik ist weiterhin der Fakt, dass sich 2 von 3 „Gemeinschaften“ im Anschluss einer Versteigerung weiter um die Zuteilung des Geldes streiten. Für eine Bank ist das Risiko unkalkulierbar, denn es ist nicht absehbar, wann die Streitigkeiten enden. Somit kann einer Bank nicht plausibel „verkauft“ werden, dass der zu Finanzierende eigentlich 20-50% Anteil an der Immobilie besitzt und dies als Eigenkapital ausgelegt werden kann.

.4 Handlungsempfehlung für Betroffene einer Zwangsversteigerung

Leser des Ratgebers kennen die Ansicht des Autors: einem gerichtlichen Sachverständigen sollte Zutritt gewährt werden, um den Wert sachgerecht abbilden zu können. Dieser Ratschlag wird in Zukunft deutlich relevanter. Denn in Zeiten, in denen mit sinkenden Immobilienpreisen zu rechnen ist, werden auch wieder häufiger Abschläge für nicht erfolgte Innenbesichtigungen erfolgen. In den letzten 5 Jahren wurden nur selten Abschläge gemacht, da der Markt nahezu jede Immobilie an einen neuen Eigentümer bringen konnte. Es wurden schlichtweg nahezu alles gekauft.

Diese Zeiten ändern sich nun und Eigentümer werden gleich zwei Mal für den verweigerten Zutritt bestraft:

  1. Die Gerichtssachverständigen werden wieder häufiger Abschläge aufgrund nicht ermöglichter Innenbesichtigung machen und somit den Verkehrswert drücken.
  2. diese bereits „gedrückten“ Verkehrswerte werden in den Gerichtssälen -wie in Punkt .2 festgestellt – nicht mehr mit Geboten erreicht und somit werden die Immobilien noch einmal deutlich niedrigere Erträge für die Schuldner/Miteigentümer abwerfen.

Insofern lautet die Empfehlung ganz klar: Betroffene sollten Innenbesichtigungen zulassen. Denn es ist immer mit einem Fehlschlag der eigenen Rettungsbemühungen zu rechnen. Der Schaden wird nur umso größer.

.5 Handlungsempfehlungen für Bieter einer Zwangsvollstreckung

Dadurch, dass tendenziell die Gebote niedriger werden, ist damit zu rechnen, dass die früheren Eigentümer vermehrt Vollstreckungsschutzanträge aufgrund einer Verschleuderung stellen werden. Dies führt zu einer zweifach zusätzlichen Belastung.

Auf der einen Seite verlangt die finanzierende Bank eine Gebühr dafür, dass der Kredit noch nicht abgerufen wurde. Der Abruf erfolgt in der Regel erst zum Verteilungstermin, da zuvor ja noch gar nicht rechtssicher feststeht, dass die Immobilie erworben wurde. Dies ist erst dann rechtssicher, wenn der Zuschlag erteilt und die Zuschlagsbeschwerden (Verschleuderung) in letzter Instanz zurückgewiesen sind.

Auf der anderen Seite muss der Meistbietende sein Gebot mit 4% p.a. verzinsen, solange es nicht schuldbefreiend bei Gericht eingezahlt ist. Das ist die berühmte Katze, die sich in den Schwanz beißt.

Immobilienkäufer sollten also mindestens einen halbes Jahr Zinslauf einkalkulieren. Im Idealfall.