Irrtümer: Verurteilung von Familien in der Zwangsversteigerung

Inhaltsverzeichnis:

  1. Die Schuldner sind selbst schuld an der Zwangsversteigerung
  2. Die Schuldner haben doch allesamt kein Geld mehr – da ist es doch besser, wenn ein Schlussstrich gezogen wird.
  3. Die Schuldner waren zu naiv
  4. Die Schuldner können nicht mit Geld umgehen – die sollen doch weniger ausgeben
  5. Die Banken sind schuld an den vielen Zwangsversteigerungen

 

Es gibt viele Vorurteile gegenüber den Hausbesitzern, die sich in der Zwangsversteigerung befinden. Wenn ich mit unbeteiligten Menschen über meine Arbeit rede, stelle ich fünf Irrtümer fest, die immer wieder ausgesprochen werden.

Die Schuldner sind selbst schuld an der Zwangsversteigerung

Das ist so in vielen Fällen nicht richtig. Tatsächlich gibt es Familien, die durch zu hohe Ausgaben die Zwangsversteigerung mit verursacht haben, doch die Regel ist das ganz und gar nicht.

Überdurchschnittlich oft sind vorübergehende Arbeitslosigkeit und eine lange Krankheit des Hauptverdieners der ausschlaggebende Grund, weshalb die Hausfinanzierung scheitert. Selbiges gilt für eine vorübergehende Kontosperrung durch aggressive Gläubiger, wie das Finanzamt oder Strom- und Gasanbieter.

Gerade Probleme mit Strom- und Gasanbietern dürften vielen meiner Webseitenbesuchern bekannt sein. Ich glaube wir alle haben schon einmal Abrechnungen erhalten, worin völlig wahnwitzige Verbräuche festgestellt wurden. Die Foren im Internet sind voll mit Bürgern, die sich über die Energieversorger und falsche Abrechnungen beschweren.

Da kann man hin und wieder so viel kommunizieren und argumentieren wie man will, der Energieversorger beharrt auf seiner Position. Und wenn dieses Problem nach Weihnachten, im generell teuren Monat Januar auftritt, ist der große Knall nicht mehr weit entfernt.

Da gehen dann so viele Abbuchungen zurück, dass man ganz schnell in die Schuldenspirale gerät. Der Weg von einer Kontopfändung bis zur Zwangsversteigerung ist sehr schleichend. Spätestens dann, wenn man beginnt sich zu fragen, wen man nun von seinem Geld ausbezahlt, sind es nur noch Monate bis der erste Brief vom Amtsgericht kommt.

Auch das Finanzamt ist nicht gerade zimperlich wenn es um die Eintreibung von Steuergeldern geht. Schauen Sie sich einfach mal so einen Steuerbescheid genau an: darin wird „großherzig“ eine Widerspruchsmöglichkeit angeboten. Trotzdem hat man zuerst die Steuerforderung zu begleichen, wenn man nicht in die Vollstreckungsabteilung weitergereicht werden will – und dann, erst dann, kann man versuchen dem Finanzamt zu erklären, dass der Bescheid so nicht richtig ist.

Und es ist die traurige Wahrheit, dass viele Steuerberater ihr Geld nicht wert sind. So häufig wie ich die Aussage höre, dass der Steuerberater Schuld an der Misere ist, kann das kein Zufall sein. Klar, seine Steuer hat man zu bezahlen – aber ich dachte bislang, dass Steuerberater dazu da sind, um die Steuerlast so niedrig wie nur möglich zu halten. Oder für ihre Mandanten da sind, um rechtzeitig davor zu warnen, dass man eine dicke Rechnung vom Finanzamt erhält, wenn man nicht gegensteuert.

Sicherlich müssen sich viele Betroffene auch an die eigene Nase packen, jedoch sucht man ja Berater auf, damit diese weiterhelfen.

Die Schuldner haben doch allesamt kein Geld mehr – da ist es doch besser, wenn ein Schlussstrich gezogen wird.

Auch diese Aussage kann ich so nicht stehen lassen. Diese Familien haben sehr wohl noch Geld. Ich habe vom Akademiker bis zum Millionär schon alle Einkommensschichten bei Aktion Neuanfang erlebt. Und es ist auffällig, dass es gerade die Besserverdiener, also für mich diejenigen, die mehr als 3.500 € netto verdienen, trifft.

Man darf auch nicht vergessen: einen Immobilienkredit erhält man nicht so leicht. Man muss zu dem Zeitpunkt des Erwerbes einerseits Geld auf der Kante haben und andererseits über ein ausreichend hohes Einkommen verfügen.

Wenn es dann zu einer Zwangsversteigerung kommt, ist das Potential, viel Geld zu verdienen, ja nicht verschwunden. Doch bei der Vielfalt an Pfändungsmöglichkeiten, gepaart mit der Schuldenwelle, die so ein gepfändetes Konto oder gepfändetes Gehalt mit sich bringen, sieht man auch mit 5.000€ Nettoeinkommen im Monat alt aus.

Und obwohl die Betroffenen fieberhaft dafür Sorge tragen, dass die Hausbank die Darlehensraten weiterhin erhält, so ist doch spätestens bei der Anschlussfinanzierung der Zeitpunkt gekommen, wo die Hausbank eine Schufa-Auskunft zieht.

Wer mit einigen Schufa-Einträgen schon einmal versucht hat ein einfaches Konto oder einen kleinen Kredit zu bekommen, kann sich sicherlich vorstellen, was die Hausbank zu der betroffenen Familie sagt, wenn es um die Verlängerung eines Kredites über eine 6-stellige Summe geht.

Freundlich wird man dann aufgefordert man möge sich doch bitte eine andere Bank suchen.

Es ist also gar nicht so untypisch, dass ein Streit mit einem „kleinen“ Gläubiger dazu führt, dass man am Ende sein Haus verliert. Das Ergebnis: das stolze Gehalt wird gepfändet und die Konten „eingefroren“.

Dadurch wird den Betroffenen die Möglichkeit genommen, rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen oder eine Rücklage für einen späteren Auszug, für eine Kaution oder einen Makler anzulegen. Wenn ich diese Situation sehe und ich mir dann auf der anderen Seite die Rechtsvertreter der Banken anhöre, die abfällig darüber reden, dass sich der Hauseigentümer an sein Haus krallt – kann ich wirklich nur mit dem Kopf schütteln.

Wo sollen die Betroffenen denn hin, wenn alle finanziellen Möglichkeiten zur „Flucht“ blockiert sind?

Da muss man sich nicht wundern, wenn einige Betroffene selbst nach einem rechtskräftig erteilten Zuschlag eine Räumungsklage über sich ergehen lassen. Es fehlt das Geld für den Auszug – ganz einfach. Doch sobald diese Angelegenheiten überstanden sind, die Schufa wieder sauber ist, gelten die Betroffenen bereits wieder zu den besser verdienenden. So schnell kann es gehen – sowohl in die eine als auch die andere Richtung.

Die Schuldner waren zu naiv

Auch diese Aussage ist fern der Realität. Ich glaube wenn man sich die Nachrichten bei uns im Lande so anschaut, erkennt man, dass es viele Möglichkeiten gibt, ganz plötzlich sein Geld zu verlieren, einen Prozess zu verlieren, durch eine Scheidung geschröpft zu werden oder durch Banken, Familienangehörige und Freunde schlichtweg betrogen zu werden.

Gerade Gerichtsprozesse sind ebenso eine häufige Ursache für eine anschließende Zwangsversteigerung. Das man sich vor Gericht streitet, ist in unserer Streitkultur nichts Neues. Sendungen wie „Verklag mich doch“ animieren ja geradezu zur Prozessführung.

Doch mit Verlaub: alle diese Umstände haben ja nichts mit Naivität zu tun. Und selbst wenn man schmunzeln könnte, dass man selbst dies oder jenes niemals getan hätte: Fehler machen wir alle.

Und das selbst unsere obersten Richter das Recht so zurecht biegen, wie es gerade notwendig ist, dürfte man an den Verhandlungen über die Finanzierung von anderen EU-Staaten oder den EU-Rettungsfonds erkannt haben. Das gehört nun einmal zu unserem Leben – man darf allerdings niemanden einen Vorwurf daraus machen.

Eine Zwangsversteigerung hat nichts mit Naivität zu tun – sondern mit Schicksalsschlägen, die jeden treffen können!

Die Schuldner können nicht mit Geld umgehen – die sollen doch weniger ausgeben

Ich habe in den 7 Jahren bei Aktion Neuanfang nur zwei Familien gesehen, wo diese Aussage zutrifft. Statistisch, also laut unseren Erfahrungen, sind das somit exakt 1% der Betroffenen.

Damit ist für mich ganz klar: an der Unfähigkeit das Geld zusammenzuhalten, kann es nicht liegen, dass eine Familie versteigert wird.

Die Banken sind schuld an den vielen Zwangsversteigerungen

Nebst den anderen Irrtümern fällt eigentlich fast immer der Satz, dass die Banken schuld seien an der Zwangsversteigerung einer Familie. Auch die betroffenen Familien selbst sind der Ansicht, dass ihre Bank der Schuldige sei.

Da ist man sich doch tatsächlich kollektiv einig: die Banken sind Mitverursacher.

Doch auch hier machen es sich sowohl die von mir Angesprochenen, als auch die betroffenen Familien etwas zu leicht. Ich gebe zu, dass auch mir einige Geschehnisse sehr fragwürdig vorkommen. Nein, einige Geschehnisse machen mich sogar regelrecht wütend.

Und dennoch bleibt eines Fakt: man hat sich damals etwas geliehen, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Hält man sich, aus welchen Ursachen auch immer, nicht an die Absprache, muss der Verleiher eben solch unvernünftige Schritte wie eine Zwangsversteigerung unternehmen.

Unvernünftig?

Es ist in meinen Augen in der Tat absolut nicht schlau von einer Bank den Weg einer Zwangsversteigerung zu wählen. Denn eine Zwangsversteigerung ist wie ein riesiges Rabattschild auf dem Grundstück der Betroffenen. Jeder, der sich in einen Gerichtssaal setzt und mitsteigert, hofft insgeheim so günstig wie nur möglich an das Objekt der Begierde zu gelangen.

Doch es ist Fakt, dass der langfristige Durchschnitt bei den Versteigerungserlösen zwischen 60 und 80 Prozent des eigentlichen Wertes der Immobilien liegt.

Und dieses unbefriedigende Ergebnis schädigt letztendlich nicht nur die ehemaligen Hausbesitzer, sondern auch die Banken. Dabei geht es mir nicht so sehr um die jeweiligen Objekte in der Einzelperspektive. Es geht um den angrenzenden Immobilienmarkt an sich.

Denn je mehr Häuser in einer Region zur Versteigerung stehen, umso mehr geraten die Preise dort unter Druck. Und wenn die Banken nun dort häufig engagiert sind bedeutet das für die Beleihungswerte der noch gesunden Finanzierungen nichts Gutes.

Man muss sich einfach nur vor Augen halten, dass es der flächendeckende Preisverfall der Immobilienwerte in vielen Regionen der USA war, die den Anstoß zu der seit 2007 anhaltenden Finanzkrise gegeben haben.

In den USA wurden die Verluste der Banken durch staatsnahe Banken „abgefangen“. Das bedeutet für die ehemaligen Hauseigentümer, dass nach dem traurigen Verlust des Eigenheimes keine weiteren Forderungen der Bank mehr bestanden haben. Hierzulande wird durch einen, ich wiederhole mich, Pfändungsmarathon das Leben der Familie auf Jahrzehnte zunichte gemacht!

Vollstreckungsschutz: das sollten Sie jetzt wissen!
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Und wenn man sich die spärlichen Zwangsversteigerungsstatistiken in unserem Land einmal ansieht, erfährt man dort, dass rund 450.000 Immobilien in den letzten 8 Jahren versteigert wurden. Bei durchschnittlich 2 Existenzen, die an einem Objekt hängen, kann man so ablesen, dass 900.000 Bürger im Alter zwischen 45 und 75 Jahren von der Teilnahme an unserer „sozialen Marktwirtschaft“ ausgeschlossen wurden. 900.000 Bürger, die auch definitiv Kandidaten für einen späteren, staatlichen Zuschuss zur Alterssicherung werden, da alle Vermögenswerte weg sind.

900.000 Bürger, die wir alle durch unsere Sozialabgaben unterstützen müssen, weil es immer noch keine Alternative zu den bisherigen Vollstreckungsprozessen gibt. Und jedes Jahr kommen 90.000 hinzu.

Vielleicht sollte man zukünftig mal bedenken, dass uns allen mit einem Fingerzeig auf die geschröpften Familien nicht geholfen ist – echte Lösungen müssen her.

Und selbst wenn es keinen Weg gibt die Immobilie einer Familie zu erhalten – so muss doch dafür Sorge getragen werden, dass diese Familien nicht Jahrzehnte lang an den Folgen leiden müssen.

Denn wer Jahrzehnte lang seine Schulden abbezahlen muss, fehlt unserer Wirtschaft als Konsument. Und der Konsum ist es, der unsere Wirtschaft am Leben hält. Wenn jedes Jahr 90.000 Bürger vom Konsum abgeschnitten werden, 90.000 Bürger auf die Altersarmut zusteuern und gleichzeitig unsere Bevölkerung überaltert – müssen sich unsere Politiker nicht wundern, weshalb unser Sozialsystem stets Defizite einfährt. Jedes Jahr werden zweistellige Milliardenwerte an Immobilienvermögen versteigert und gleichzeitig zahlen wir alle für die Folgen – muss man sich nicht lange Fragen, wo hier im Land die Schere zwischen Arm und Reich beginnt.

Die Schere wird in den Amtsgerichten unseres Landes eingesetzt.